Transatlantik–die sechste…

Die Reise meiner letzten beiden Posts wird fortgesetzt. Der geneigte Leser erinnert sich: Die Strecke Rügen – Nord-Ostsee-Kanal-Nordsee-Englischer Kanal-Biskaya-Spanien-Madeira-Gran Canaria liegt schon hinter mir. Jetzt habe ich eine Woche Zeit, mein Schiff und die neue Crew auf den Atlantik vorzubereiten. Diesmal war das für mich ziemlich stressig: Wegen Gesundheitsproblemen mussten wir kurzfristig den Skipper der zweiten Yacht ersetzen, die als unser Schwesterschiff parallel fuhr. Damit blieb ein großer Teil der Vorbereitungsarbeiten für ZWEI Schiffe an mir hängen. Viel Freizeit hatte ich in der Woche nicht.

Auch wenn die ARC aus Pandemiegründen etwas kleiner war als sonst, waren es immer noch haufenweise Boote, die sich auf den Törn vorbereiteten.

Wie üblich, war die Verpflegung und der Einkauf ein wichtiges Thema. Schon Monate vorher hatten wir begonnen, und planungsmäßig darauf vorzubereiten. Bei zwei großen Videokonferenzen mit beiden Crews wurde – neben diversen sonstigen Fragen – die Essensplanung intensiv vorbereitet. Daraus resultierte eine genaue Mahlzeitenplanung mittels einer Google Docs Datei, in der die Rezepte in eine Stückliste verwandelt und daraus die Basis unserer Einkaufslisten erstellt wurden.

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Auch Diese wurde reichlich gebunkert: Zu den 280 Litern im Schiffstank nahmen wir sicherheitshalber weitere 200 Liter in Kanistern mit. Wir waren mit unserem hohen Stromverbrauch trotz mehrerer Solarpanels nicht autark, sondern mussten regelmäßig die Batterien mit der Maschine aufladen.

Langsam aber sicher vervollständigten sich Hafen, Crew und Ausrüstung und pünktlich zum Startsonntag war alles bereit und die Crew wollte unbedingt los und das Abenteuer beginnen. Leider fiel zum zweiten Mal ein Großteil des Vorbereitungsprogramms – über das ich ja in den vergangenen Jahren schon viel berichtet habe – der Pandemie zum Opfer und aus. Den “Neuen” fiel das naturgemäß nicht so auf wie mir.

Es ist auch für mich immer wieder ein beeindruckendes Erlebnis, wenn zweihundert Yachten aus Las Palmas auslaufen und sich zum Start begeben. Das Gewusel bei der Ausfahrt aus dem Hafen ist für den Skipper schweisstreibend…

Die Startlinie wird wie immer an einer Seite vom Komiteeschiff begrenzt, das nach langjähriger Tradition eine Korvette der spanischen Marine is.

Pünktlich um 1300 Uhr begab sich die Masse der Schiffe auf die über 2.700 Seemeilen lange Reise – nur die Katamarane und die Rennyachten  waren jeweils eine Viertelstunde früher gestartet. Bei bestem Segelwetter war das diesmal ein prächtiger Start.

Dies Boot fuhr allerdings nicht mit –  ich hab es nur fotografiert, weil ich das Segel einer Optimistenjolle als Besan so niedlich fand…

Der Anblick der Flotte so ein, zwei Stunden nach dem Start auf dem AIS meines Notebooks ist schon beeindruckend. Ich hab die Signale allerdings nicht gezählt.

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Alle möglichen Yachten nehmen an der ARC teil, teils auch als Kojencharter. Die schnellste Kojencharter-Yacht diesmal seht ihr hier:

Die TELEFONICA war 2011/2012 Gesamt-Vierte im VOLVO OCEAN RACE um die Welt und ist eine Open 70. Bei der ARC war sie leider vom Pech verfolgt und endete entgegen der Voraussage nicht in der Spitzengruppe.

Schon nach wenigen Tagen stellte sich die übliche Routine ein: Wache gehen, schlafen und täglicher Zeitvertreib lösten sich regelmäßig ab. Zwischendurch gab’s dann auch mal die schon traditionelle Totalflaute, bevor man auf der Höhe der Kapverden den Passat erwischt: Ja, und ich kenne den Film auch – deshalb bin ich an Bord geblieben Winking smile


Ach ja, und ein bisschen Food Porn und Drink Porn muss natürlich auch sein. Hier zum Beispiel der weltberühmte Kartoffelsalat des Skippers, der immer wieder sehr gerne genommen wird:

Und nicht zu vergessen unsere nachmittägliche Cocktailstunde mit leckeren Rezepten (natürlich alkoholfreie – ich fahre ja bekanntlich ein komplett “trockenes Schiff” bis zum Anlegen)

Kulinarisch haben wir überhaupt recht gut gelebt, wie dieses Bild zeigt. Allerdings waren diesmal unsere Fischfang-Bemühungen nur von relativ wenig
Erfolg gekrönt, sonst ist das ja immer eine erhebliche Bereicherung des Speisezettels.

So langsam kamen wir dann in die Breiten der “Squalls”, das sind kleine und fiese Schauerböen mit kurzfristig viel Wind. Meistens konnten wir ihnen gut ausweichen, es gab diesmal auch nicht sooo viele. Aber manchmal erfreuten sie uns dann auch mit einem tollem Schauspiel wie diesem:


Und solche Abende gab es viele – ich erspare Euch aber größere Serien von Sonnenuntergangsbildern – davon gibt es ja schon mehr als genug.

Unterhaltsamer sind da sicher seltene Dokumente über das Reinigungsverhalten des segelnden Menschen auf dem Atlantik. Bekanntlich sind die Süßwasservorräte auf einer Yacht ja begrenzt. Deshalb ist es die Aufgabe des eigens dafür ernannten sog. “Duschgasten”, für die gründliche Benetzung der muskelgestählten(Be right back) Seemannskörper zu sorgen, damit die regelmäßige Reinigung mit Salzwasser erfolgen kann. Gottseidank hatte das Wasser so 25, 26 Grad. Mithilfe eines speziellen Salzwasser-Shampoos ist dann auch das Haare waschen kein Problem.

Westlich der Kapverden haben wir dann endlich den klassischen Nordost-Passat zu fassen bekommen und es ging mit anständigem Tempo nach Westen. Wir hatten zwar einen Spinnaker an Bord, aber der Passat blies regelmäßig mit 20 Knoten plus, sodass der Spi meistenteils im Sack blieb.  Stattdessen kam die klassische Passat-Besegelung mit ausgebaumter Genua zum tragen:


Für diese Besegelung muss man ein bisschen was vorbereiten: Der Spibaum muss nach oben, vorn und achtern fest fixiert werden, dafür längt man sich spezielle Leinen ab. Außerdem wird die Fockschot vorn am Spibaum durch den dortigen Ring gefahren. Es empfiehlt sich, diese Verbindung mit einem dafür angefertigten Dyneema Softschäkel zu machen, um Beschädigungen der Schot durch Reibung zu vermeiden.

Hier nochmal ein paar Bilder aus dem täglichen Bordleben:


Die Aufgabe, täglich zehn Leute an Bord schmackhaft satt zu bekommen, darf nicht unterschätzt werden. Fast alle Crewmitglieder haben dazu Gerichte beigesteuert. Wer nicht kocht,wird zum Schnippeln angestellt oder wäscht hinterher ab. Auch das ist nicht ganz ohne, da das im Cockpit mit Salzwasser geschieht.


Ab der zweiten Woche gehört natürlich auch das vom Skipper täglich gebackene frische Brot zu den Highlights. Es wurde genauso verschlungen wie die abwechselnd von einem weiteren Crewmitglied gebackenen Brote.


Hier im unteren Bett nächtigte der Skipper. Normalerweise sieht meine Behausung anders aus. So lange, wie ich regelmäßig an Bord bin, habe ich natürlich Anrecht auf eine eigene Kabine, in der ich dann auch meine Gepäckberge (z.B. Kleidung für den Gefrierpunkt bis 35 Grad) aufbewahren kann. Die Transatlantikreisen mit der ARC sind allerdings derart gesucht, dass ich mit dem Veranstalter eine Vereinbarung habe, dass jede Koje verkauft werden kann.

Interessant ist auch immer wieder das Netz, das wir von der Salondecke spannen und das einen ganz großen Teil unseres Obstes und Gemüses aufnimmt. Dies bleibt dadurch schön luftig und das Netz trägt dazu bei, dass die Früchte deutlich länger frisch bleiben.
Hier ist es bereits halb leer. Wenn es beim Start in Las Palmas voll ist, dürften da locker einige hundert Kilo hängen. Die Haken sind aber sehr gut befestigt.


Ach ja, und dies jährliche Foto darf natürlich auch nicht fehlen:

Tradtionell trägt der Skipper beim Briefing am 6. Dezember die eigens dafür mitgeführte Nikolaustag-Mütze…

Und noch was zum Thema Essen: Es ist immer gut, wenn man ausreichend Diplomingenieure an Bord hat. Dann wird das noch vorhandene Fleisch im Handumdrehen mithilfe des vom Skipper zur Verfügung gestellten Takelgarns zu Rouladen verarbeitet – die übrigens hervorragend geschmeckt haben.


So, das war’s von der Überquerung Herbst 2021. diesmal etwas anders berichtet als in den Vorjahren. Wer mehr wissen will, schaut halt bei meinen Herbst- und Winter-Posts der Jahre 2019,2018,2017,2016 nach.

Inzwischen habe ich auch schon die nächste Transatlantik-Reise hinter mir, diesmal im Februar-April 2022 von St. Maarten in die Ostsee. Und zur Zeit bin ich in den schwedischen Westschären unterwegs, bevor es dann am 2. Juli wieder auf die Azoren geht. Es gibt also noch viel zu berichten.

So stay tuned!

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