Wo waren wir letztes Mal stehen geblieben? Ach ja, auf meinem Weg von Rügen in die Karibik waren wir ein weiteres Mal gestrandet, und zwar wieder mit nicht funktionierendem Motor in Les Sables d’Olonne, einer riesigen Marina mit kompletter Infrastruktur. Leider nützte die mir nichts,da ich bei meinem Pech wieder passend zum Wochenende ankam und deshalb mindestens drei Tage gebraucht hätte, bis überhaupt jemand anfängt, sich um mich zu kümmern. Also schickte die Firma wieder den armen Techniker an die Biskaya, der ja gerade erst vom Motorwechsel in Camaret-sur-Mer zurückgekommen war. Der Mann tat mir herzlich leid, war aber Gold wert.
Als erstes haben wir aber schon vorher festgestellt, dass – man glaubt es kaum – beim Volltanken nach dem Motorwechsel dasselbe nochmal passierte und wir wieder schlechtes Diesel getankt hatten! Das sah dann so aus, wenn man den Tank öffnete:
Also als erstes wieder den kompletten Tank leeren. Brav wie wir sind, wurde der gesamte versiffte Diesel in Kanister gefüllt, mit nach Deutschland genommen und dort ordnungsgemäß entsorgt!
Da ich ja – wie gottseidank häufig – kreative Ingenieure an Bord hatte, wurde mit Bordmitteln ein Endoskop gebaut, damit wir auch in die letzten Winkel des Tanks hineinschauen konnten, um sicherzugehen, dass auch wirklich ALLES heraus war. Wie macht man so etwas? Man nehme ein I-Phone, montiere es an eine Stange, schalte sowohl die Kamera als auch die Taschenlampe ein, führe dieses Gerät in den Tank ein und übertrage die Bilder auf ein zweites I-Phone! Ich kann euch bestätigen, das funktioniert hervorragend.
Danach ging’s dann los: Wieder den Kraftstofffilter und den Kraftstoff-Vorfilter tauschen, und die gesamte Einspritzanlage mit den vier Düsen, den “Hirschgeweih” und der Einspritzpumpe tauschen. Nach gründlichem Check kamen wir diesmal um den Tausch der Maschine herum.
Am Dienstag Mittag waren wir fertig zum Ablegen – aber jetzt spielte das Wetter nicht mehr mit. Mittlerweile hatten wir ja Mitte November – viel zu spät eigentlich für die Biskaya, und prompt zog auch ein Sturm durch, der uns am Auslaufen hinderte. Wir waren ja sowieso schon viel zu spät dran durch die diversen technischen Probleme. Also beschlossen wir, unseren ganzen weiteren Reiseplan zu ändern, da es mittlerweile feststand, dass wir es selbst im günstigsten Fall nicht mehr bis zum Start der ARC nach Gran Canaria schaffen konnten. Meine gesamte Transatlantik-Crew flog –entweder aus Deutschland oder aus Las Palmas – nach Porto in Portugal und ich fuhr von Les Sables d’Olonne direkt dorthin, unter Auslassung von La Coruna.
Aber starten konnten wir wegen des Sturms immer noch nicht und unsere Verspätung wurde immer größer. Erst in der Nacht von Donnerstag auf Freitag konnten wir ein Wetterfenster ausnutzen und endlich mit der Abendflut auslaufen. Wir hatten zwar immer noch sechs Windstärken, aber stark gerefft waren wir trotz hoher Welle gut unterwegs. Nach Sonnenaufgang wurde der Wind etwas weniger und wir konnten das Großsegel ausreffen, später dann auch die Fock. Im Laufe der nächsten 24 Stunden hatten wir dann alles: Von Flaute bis Böen mit 8 Bft. Dafür war ein erstes Etmal von 142 Seemeilen noch ganz gut. Leider drehte der Wind danach immer weiter gegen uns und wir halfen kräftig mit der Maschine nach, da wir es ja eilig hatten. Das Wetter wurde immer mieser, neben dem starken Wind regnete es auch heftig, aber irgendwann hatten wir es dann beim Kap Finisterre aus der Biskaya herausgeschafft und konnten nach Süden längs der spanischen Küste abbiegen. Es blies zwar immer noch heftig mit 7 Bft., aber ab jetzt halt mehr oder weniger von hinten. Gut gerefft war das prima zu segeln und wir kamen endlich gut voran.
Am 21.11. abends liefen wir endlich in Porto ein. eigentlich wollte ich ja wieder in die schöne Marina Douro im Fluss, aber die Flussmündung war wegen der erheblichen Wellen gesperrt und nach Rücksprache mit dem MRCC Lissabon fuhren wir nach Leixões, dem Industriehafen von Porto.
Dort erwartete uns dann meine Atlantik-Crew Crew (den heftigen Ritt durch die Biskaya hatten wir nur zu dritt gemacht). Und jetzt hatten wir reichlich zu tun und einigen Zeitdruck. Ich zitiere mal aus meinem Logbuch:
”So, in zwei Tagen das erledigt, was normalerweise in Las Palmas in acht gemacht wird. Alle Reparaturen (Vorsegel, Elektrik etc,) erledigt, Großeinkauf gemacht und verstaut usw.
Die neue Crew ist an Bord. Gestern gab es drei Stunden Schiffs- und Sicherheitseinweisung. Jetzt ist alles bereit und es kann losgehen.”
Vorher noch – wie sich das gehört – der sog. Rig-Check, bei dem wir den Mast und alle Wanten auf Sicherheit und Stabilität geprüft haben. Dabei kann man dann ganz interessante Fotos von da oben machen.
Und jetzt startete also endlich unsere ARC – die längste, die ich jemals gefahren bin: Wir starteten vier Tage nach den anderen und 1.000 Seemeilen weiter nördlich. Also begann die große Aufholjagd. Wir machten noch einen Kurz-Stopp auf Madeira zum tanken, nochmals den Tank reinigen und einen Mann von Bord zu lassen, der extra bis hier noch mitgefahren war; und dann ging es endlich hinaus auf den großen Atlantik. Wir nutzten jede Böe aus, gaben Gas ohne Ende, segelten Spinnaker, wann immer es ging, und holten Meile um Meile auf. Teils hatten wir arg wenig Wind, aber da half uns der Spinnaker durchaus:
Und das hier ist die dazugehörige Wind- und Geschwindigkeitsanzeige:
Man sieht: Aus zehn Knoten scheinbarem Wind holen wir 6,6 Knoten Fahrt heraus. für das schwere Schiff nicht schlecht. Eine Bavaria ist ja schließlich keine Rennyacht.
Das folgende Bild, in der meine Navigationskarte mit Wetterinformationen kombiniert wurde, hatte ich abgespeichert unter dem Titel “Der Nicht-Passat”.
Das muss ich den Nichtseglern erklären: Da unten in der Mitte, wo das große Gebilde mit dem “L” steht, ist normalerweise die sog. Passatzone. Innerhalb dieser Zone herrscht im Normalfall immer stetiger Nordostwind, mit dem man prima und gemütlich den gesamten Atlantik mit Wind von hinten überqueren kann. Hier hatte sich aber ausnahmsweise ein riesiges Sturmtief breitgemacht, dass da eigentlich gar nicht hin gehört. An dem kleinen Pfeil schräg rechts darüber erkennt man, dass das Ding nach Nordosten zieht. An der Südseite hätten wir aber dann den Wind genau von vorn und heftig – sowas braucht auf dieser Route kein Mensch.
Aber noch waren wir nicht in dieser Zone, sondern östlich davon – und da herrschte das genaue Gegenteil, nämlich eine Schwachwindzone.
Also bog ich rechtwinklig nach Süden ab, um diesem dicken Brocken zu entgehen. Insgesamt ergab das dann den bisher südlichsten Kurs von allen meinen Atlantiküberquerungen. Vorerst hatten wir deshalb halbwegs vernünftige Winde, aber ich hatte immer ein Auge auf den Sturm, der kurz davor war, sich zu einem ausgewachsenen Hurrican zu entwickeln. Es war definitiv sicherer, nach Süden zu fahren und feste Reißaus zu nehmen. Schaut Euch das mal hier an:
Rechts unten im Tief seht Ihr den grünen Pfeil – das bin ich! und Oberhalb des Tiefs steht “developing Hurrican force”! Also nix wie nach Süden. Es hat aber alles geklappt und wir sind rechtzeitig und schnell genug nach unten gekommen, sodass wir von diesem Brocken so gut wie nichts gemerkt haben. Trotzdem: Wenn Ihr genau hinschaut, seht Ihr so hellbraune Bahnen von Ost nach West: Das sind meine Kurse der vergangenen Jahre. Daraus ist klar ersichtlich, dass ich viel weiter nach Süden ausweichen musste als normal.
Hat aber geklappt, und wir erreichten die nach Süden ausgebüxte Passatzone. Endlich hatten wir Wind von hinten mit ausreichender Stärke und es ging mit Rauschefahrt ab nach Westen. In der Spitze schafften wir dann über 190 Seemeilen pro Tag und holten Tag für Tag auf – auch wenn es natürlich keine Chance gab, noch rechtzeitig in St. Lucia anzukommen.
Hohe Zeit war es jetzt für die kulinarischen Highlights der Reise, als da sind:
gefangene Fische zur Bereicherung der Speisekarte
für die Advents-Sonntage die vom Skipper mitgebrachten Christstollen
die vom Skipper und einem angelernten Crewmitglied täglich gebackenen Brote
Die nach telegrafischer Konsultation in der Heimat aus überschüssigen Prinzenrollen hergestellten Skipper-Spezial- Küchle
Sonst gab es nicht mehr viel zu berichten. Wir bretterten wie die Wilden über den Atlantik und haben tatsächlich noch zwei andere überholt! Natürlich war dennoch die Ziellinie schon geschlossen, als wir ankamen. Ich bin aber dennoch nach St. Lucia gefahren und nicht – wie andere – direkt nach Martinique. Wir wollten die Sache einfach zu einem richtigen Abschluss bringen.
Es war dann noch Zeit für ein schönes Abschiedsessen im “Spinnakers” – dem St. Lucia Kultrestaurant für Segler, bevor wir dann nach Martinique segelten, dort mittags unser Boot an die Nachfolgecrew übergaben und abends nach Hause flogen. Am 23. Dezember abends um acht war ich dann endlich zuhause – in meiner Familie waren schon Wetten abgeschlossen worden, ob ich es bis Weihnachten nach Hause schaffe.
Jetzt ist erst einmal Erholung angesagt, dann alles erledigen, was zuhause liegen geblieben ist, bevor es dann Anfang März wieder in die Karibik geht, um das Boot wieder zurück zu holen.
Es geht also auch in diesem Jahr weiter mit den Abenteuern.
So stay tuned!