Von Petersburg in die finnischen Schären

Nach fünf Tagen ging unser Aufenthalt in St. Petersburg zu Ende. Wer immer die Möglichkeit hat, sich diese viertgrößte Stadt Europas anzuschauen, sollte es tun. Die gesamte Innenstadt mit über 2.300 Gebäuden ist nicht umsonst Weltkulturerbe der UNESCO (Peterhof natürlich auch).

Sehenswert, wenn auch für uns gewöhnungsbedürftig, ist das Verhalten der neureichen russischen “Elite”, ich habe ja schon darüber berichtet. Manchmal führt das zu seltsamen Auswüchsen. Da gibt es z.B. einen jungen russischen Rennfahrer, der meinte, er könne besser Sponsoren werben, wenn er sein Auto mit hübschen Mädchen für seinen Sponsorenprospekt garniert. Auch Segelyachten machen sich da ja bekanntlich immer gut, weil wir Segler ja alle Millionäre sindCooles Smiley.

Also Fotograf und Mädels engagiert und los geht’s zu den Booten der ARC:

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Endlich aber hieß es wieder “Leinen los” und auf ging’s nach Finnland. Vorher mussten wir aber noch wieder in Kronstadt ausklarieren, das dauerte auch wieder Stunden. Groß war meine Überraschung, als wir in Kronstadt plötzlich einer leibhaftigen Hamburger Elbfähre begegneten, die früher für die HADAG in Hamburg fuhr. Heute ist sie Ausflugsschiff in St. Petersburg, aber den Namen “Reeperbahn” hat man gelassen.

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Da wir aus einem Nicht-EU-Land kamen, mussten wir in Finnland zunächst auf einer kleinen Insel namens Haapasari einklarieren. Kein Problem eigentlich – bis auf etwas doch arg ungewohntes: Bevor die beiden freundlichen Grenzpolizisten irgendwelche Papiere sehen wollten, holten Sie ein Röhrchen heraus und ich als Skipper musste blasen – zur Begrüßung erst einmal ein Alkoholtest. Klar: Wer aus Russland, dem Land mit dem billigen Wodka, nach Finnland einreist, hat halt oft noch reichlich Restblut im Alkohol…

Helsinki ist bestimmt eine schöne Stadt, aber wenn man aus St. Petersburg kommt,wirkt sie etwas blass – zumal die Stadt ja auch nicht sehr alt ist. Natürlich hat die ARC auch hier eine Stadtrundfahrt organisiert.

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Ich habe hier nicht viel fotografiert, zumal ich auch ziemlich beschäftigt war. Unglücklicherweise hatte ich mir ein Glas Mineralwasser über die Tastatur meines Laptops gegossen. Eine Reparatur war kurzfristig nicht möglich, also hab ich mir für 5 Euro eine große PC-Tastatur als workaround gekauft – leider eine finnische.

Unser obligatorisches Crew-Dinner mit allen ARC-Yachties fand im noblen Yachtclub von Helsinki statt. Die Herren zeigten schon große Gastfreundschaft, da sie für unsere Truppe ihren halben Yachthafen geräumt und ihre eigenen Boote temporär woanders hin verlegt hatten. Im Clubhaus kam ich mir vor wie in meiner Jugend vor fünzig Jahren in den damals vornehmen deutschen Clubs: Die “Eingeborenen” im feinen Zwirn: Clubjacke mit goldenen Knöpfen und Clubkrawatte, an den Wänden die Öl-Portraits der Commodores (Vereinsvorsitzenden) der letzten hundertfünfzig Jahre. Aber lecker war das Essen.

Beim Auslaufen aus Helsinki organisierten wir dann eine Flaggenparade. Es ist schon ein toller Anblick, wenn 27 Segelyachten hintereinander über die Toppen geflaggt am Kai vorbeifahren.

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Das ist übrigens unsere Führungsyacht “Working on a dream” mit den beiden guten Geistern der ARC-Organisation, die alles im Griff hatten und immer Ansprechpartner für alle großen und kleinen Probleme waren.

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Normalerweise haben wir ja die Beflaggung immer im Hafen eingeholt, was wegen der Salinge ein bisschen kritisch ist. Wegen dieser schönen Vorbeifahrt mussten wir das ja nun auf See mit anständig Wind machen – und prompt ging es schief, die ganze Mimik verhakte sich und musste bis zum nächsten Hafen hängen bleiben.

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Also ging unsere kleinste und leichteste in den Mast um die ganze Sache wieder zu klarieren, damit wir die Flaggen herunterholen konnten.

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Wer schon mal in den Stockholmer Schären gesegelt ist, weiß, dass man sehr genau navigieren muss, sonst rumst es – und gegen einen Stein unter oder über Wasser sollte man tunlichst nicht fahren, das kann dem Schiff arg schaden. Der Unterschied zu den finnischen Schären ist: Hier muss man noch genauer navigieren. Dafür wird man mit einer wunderschönen Landschaft entschädigt. Hier mal einige Impressionen:

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Schären bei Helsinki

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Und dann sitzt man ganz gemütlich in seiner Navi-Ecke und lotst sich durch die idyllischen Schären, da erscheint plötzlich aus heiterem Himmel ein tierisches Röhren, der Skipper stürzt an Deck und sieht gerade noch dieses Teil mit geschätzten 100 km/h vorbeirauschen:

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Wir konnten in der Kürze der Zeit nicht mal feststellen, was für eine Art von Antrieb das Ding benutzte. Dank übrigen an meinen Mitsegler Erik für das Foto – so schnell hab ich meine Kamera ja gar nicht gezückt bekommen.

Kaum hat man sich vom ersten Schrecken erholt, ging es nahtlos weiter:

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und noch mehr

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Fakt war: Wir waren in ein offshore Speedboat Rennen geraten. Allerdings fuhren die nicht auf abgesperrter Strecke, sondern auf den normalen Wasserstraßen – und uns armen Seglern rechts und links um die Ohren. Nach vierzig Booten hab ich aufgehört zu zählen.

Nach dem Besuch von Mariehamn in den Aland-Inseln (gehören zu Finnland – obwohl sie’s nicht wollen) segelten wir einen langen Schlag rüber nach Schweden mit Ziel Saltsjöbaden bei Stockholm, wo wir wieder alle zusammen lagen.

Neben der obligatorischen Stadtrundfahrt war für mich eines der Highlights der Besuch des Wasa-Museums. Nein – dort ist kein Knäckebrot ausgestellt, sondern das berühmte Flaggschiff der schwedischen Flotte, das am 10. August 1628 sofort nach dem Stapellauf nach 20 Minuten Fahrt und weniger als einer Seemeile zurückgelegter Strecke kenterte und sank – die größte anzunehmende Schmach für den ehrgeizigen schwedischen König. Der war schließlich aber selbst schuld. Das Schiff war für ein Kanonendeck konzipiert, aus Größenwahn befahl er aber, es mit zwei Kanonendecks zu bauen, damit das Schiff allein mehr Kanonen als die gesamte polnische Flotte habe. Das brachte die Statik so was von durcheinander, dass der Kahn schlicht und einfach umkippte.

In den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde das Schiff nach vierhundert Jahren gehoben, wie die abfotografierten Bilder aus dem Museumsfilm zeigen:

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Dieser Tatsache haben wir es zu verdanken, dass wir heute ein einmaliges Zeitzeugnis in einem eigens dafür gebauten Museum besichtigen können.

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Viele Fotos habe ich in Stockholm nicht gemacht, das ist ja auch nicht sooo außergewöhnlich, dass da nicht jeder selbst hinfahren könnte. Zeigen könnte ich höchstens ein paar Bilder aus dem Skansen-Park, die zeigen, dass auch in Stockholm (wie vorher in Helsinki) die dicksten Kreuzfahrtschiffe bis mitten in die Stadt fahren können.

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Und weiter ging es nach Süden zu unserem letzten Ziel Klintholm auf Mön in Dänemark. Vorher haben wir aber noch eine Nacht in herrlicher Einsamkeit und Ruhe vor Anker in den Stockholmer Schären verbracht.

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Weiter ging es nach Kalmar, einer alten Stadt mit sehenswertem Schloss, einer belebten Altstadt und wunderschönen Parks. Da ich hier ein bisschen Zeit hatte, bin ich einfach mal nur herumgelaufen und habe versucht, den Charakter der Gegend einzufangen. Seht selbst, ob mir das gelungen ist.

Bevor es dann endgültig Richtung Dänemark ging, übernachteten wir noch einmal an einem etwas exotischen Ort: Es gibt da auch dem Weg von Kalmar nach  Ystad ein kleines Inselchen namens Utklippan. Das ist ein Naturschutzgebiet mit einem kleinen, aufgelassenen Hafen ohne jegliche Infrastruktur.

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Wie man sieht, sind das eigentlich zwei Inseln, die nicht miteinander verbunden sind. Im Hafen (oben) liegen ein paar Ruderboote bereit, mit denen man zur andern Insel rudert, um dort im Haus des “Hafenmeisters” sein Liegeplatzgeld zu bezahlen.

In dem zweiten kleinen Häuschen ist – natürlich – eine Sauna, die man gegen kleines Geld mieten konnte. Als meine Crew diese anforderte, griff der Hafenmeister zur Kettensäge und produzierte Holzscheite, mit denen er die Sauna befeuerte, sodass sie zwei Stunden später benutzt werden konnte.

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Von da ab ging es dann relativ schnell nach Hause, leider mussten wir die letzten Tage fast nur motoren, da der Wind relativ heftig, und immer genau von vorn kam.

Die Rally endete dann im Hafen von Klintholm auf der dänischen Insel Mön mit einem großen gemeinsamen Abschiedsessen aller Crews. Diplome wurden verteilt, Fotos gezeigt – und ich bekam einen Sonderpreis, weil ich in Finnland elende 60 Seemeilen Umweg fahren musste, da ich Blödmann auf einer Karte eine Brücke übersehen hatte, unter der ich nicht durch kam. Natürlich was dieser Preis – eine Lupe Vor Wut kochen

Damit endete ein Abenteuer bisher einmaliger Art. Eine touristische Rally, sechs Ostsee-Hauptstädte in sechs Ländern in sechs Wochen, fast zweitausend Seemeilen – und alles in einer Gruppe mit 27 Booten. Das war schon etwas besonderes, da sich im Laufe der Zeit zwischen den Booten neue Freundschaften entwickelten, die sicher anhalten werden.

Ein Lob muss ich zum Schluss noch an die Leute vom World Cruising Club aussprechen. Auch für die war es etwas neues, eine so touristische Rallye auszurichten. Das Programm war gut gewählt, es war an fast alles gedacht und die Betreuung vor Ort war hervorragend. Im großen und ganzen waren alle begeistert. Die Sache wird mit Sicherheit wiederholt werden.

So, und jetzt muss ich Koffer packen, denn die nächste Reise steht schon vor der Tür. Morgen geht es nach Neustadt in Holstein. Dort übernehme ich die Merenneito und fahre das Boot über Kiel, den Nordostseekanal, die Nordsee, den Kanal und die Biscaya nach La Coruna in Spanien, wo ich voraussichtlich am 4. Oktober eintreffen werden. Stay tuned, auch da gibt’s sicher interessantes zu berichten.

Ab Mitte Oktober bin ich da´n wieder auf der ORION und fahre sie von Malaga nach Gran Canaria, und anschließend  noch einige Törns auf den kanarischen Inseln bis Mitte Dezember. Wer also Lust hat: Ich freu mich über jeden, der mitfährt.

See you on board

ARC Baltic Rally 2–Sankt Petersburg Special

Mannomann, ich häng mit meinem Blog sowas von hintendran, aber seit ich vom letzten Törn zurück bin, hatte ich hier zuhause so viel zu tun, dass ich einfach nicht zum Schreiben gekommen bin – und übermorgen geht es schon auf die nächste Reise. Doch dazu später mehr.

Heute möchte ich mich ausschließlich mit einer Sache beschäftigen, die mich in St. Petersburg besonders beeindruckt hat: Das Schloss Peterhof, außerhalb der Stadt.

Dieses riesige Palastanlage liegt ungefähr 30km von St. Pete entfernt. Der beste Weg dorthin ist aus dem Zentrum der Stadt mit einem der laufend verkehrenden Tragflächenboote. Diese donnernden Ungetüme ( die ich schon aus Griechenland kannte, denn dieselben russischen Boote verkehren zwischen Piräus und den Inseln) bringen einen in einer halben Stunde dorthin.

Boot

Gegründet wurde Peterhof von Zar Peter dem Großen. Der Anfang war eine Art Mini-Schloss, von dem aus er auf seinen Reisen den Bau der Festung Kronstadt überwachte. 1709 fing der Zar dann mit der Planung einer Palastanlage an, die auf der Höhe der besten und größten Schlösser Europas sein sollte. Als Planer und Handwerker (Zar und Zimmermann – man erinnere sich) nahm er selbst starken Einfluss auf den Bau. 1723 – es war noch nicht fertig – wurde das Schloss dann eröffnet. Der Zar wohnte dort im Sommer und im Winter dann – was Wunder – in Sankt Petersburg im Winterpalast.

Viel gehabt hat Majestät aber nicht von seinem Häuschen, da er schon 1725 starb.

Seine Nachfolger – komischerweise hauptsächlich die Frauen -  bauten dann bis ins 19. Jahrhundert den Palast weiter aus. Die größten Anbauten stammen von der Zarin Elisabeth und später von Katharina der Großen.

Im Inneren des Palasts war leider fotografieren verboten – man möchte natürlich die entsprechenden Bücher verkaufen, was ja verständlich ist. Also gibt’s nur Fotos vom draußen. Ich zeige die hier einfach zunächst mal kommentarlos.

 

Was man auf den Fotos nicht sieht: Es war mörderheiß! Einige Tage später, in Finnland, erzählte mir ein finnischer Segler, wir hätten die heißeste Woche seit 50 Jahren erwischt. Jedenfalls war es tagelang deutlich über 30 Grad. Man sieht (leider) deutlich, wie ich mich durch den Park geschwitzt habe.

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Insgesamt ist das Schloss wirklich beeindruckend. Die Parkanlage ist gewaltig, über 150 Brunnen und Wasserspiele funktionieren mit einem ausgeklügelten Rohrsystem – alles ohne Pumpen, nur mit natürlichem Gefälle! Der gesamte Park ähnelt einem typisch französischen Barock-Park.

Als Kontrast muss ich aber auch ein anderes Bild zeigen, denn das darf auf keinen Fall vergessen werden:

Peterhof - Nikolaj I. Chandogin

Dies Bild des russischen Fotografen Nikolaj I. Chandogin aus dem Jahr 1944 nach Ende der deutschen Belagerung zeigt, dass das gesamte Schloss sowie auch der Park völlig zerstört wurden.

Im Zweiten Weltkrieg wurde Peterhof von den deutschen Besatzern weitgehend geplündert und zerstört. Ende Juni1941 versuchten Museumsmitarbeiter, die meisten Kunstschätze zu evakuieren. Manche wurden nach Leningrad gebracht, andere gingen auf dem Transport verloren. Schloss Peterhof wurde ab dem 23. September 1941 besetzt. Als am Abend ein Geschoss einschlug, fing der Palast Feuer. Das Löschen des Brandes wurde den Zivilisten von Wehrmachtssoldaten unter Androhung der Todesstrafe verboten. Bei der Zerstörung handelte es sich um eine gewollte Aktion der Wehrmacht und nicht um ein Versehen. (Quelle: Wikipedia).

Die gesamte Blockade von Sankt Petersburg hatte keinen anderen Zweck als die russische Bevölkerung zu dezimieren und den Rest zu demoralisieren. Alle Angriffe, Bombardierungen usw. richteten sich bewusst und absichtlich gegen die Zivilbevölkerung. Grauenhafte Hungerszenen müssen sich abgespielt haben. Hunderttausende sind buchstäblich verhungert. Die Gesamtzahl der Opfer der Blockade ist immer noch umstritten. Nach dem Krieg meldete die sowjetische
Regierung 670.000 Todesfälle in der Zeit vom Beginn 1941 bis Januar 1944, wovon die meisten durch Unterernährung und Unterkühlung verursacht worden waren. Einige unabhängige Schätzungen gaben viel höhere Opferzahlen an, die von 700.000 bis 1.500.000 reichen. Die meisten Quellen gehen aber von einer Zahl von etwa
1.100.000 Toten aus. (Wikipedia)

Umso beeindruckender ist die Arbeit der russischen (oder besser sowjetischen) Restauratoren, die schon bald nach dem Krieg begonnen haben, das Schloss und den Park in altem Glanz erstrahlen zu lassen. Viele Kunstschätze konnten gerettet werden, weil sie vor den anrückenden Deutschen vergraben wurden, manches ist bis heute verschwunden. Kann man es den Russen angesichts dieser Tatsachen übel nehmen, dass sie sich auch in Deutschland an Beutekunst bereichert haben? Es gibt in der Geschichte dieses Krieges kein Schwarzweiß, sondern nur Grautöne aller Schattierungen – alle hatten sie hier Dreck am Stecken.

Heute ist Peterhof eine der größten touristischen Attraktionen Russlands. Über viereinhalb Millionen Besucher kommen im Jahr hierher.

Direkt vor dem Schlosspark holt die heutige russische Wirklichkeit uns aber sofort wieder ein. Hier picknicken russische Familien oder Pärchen

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Es gibt die typische Ostseelandschaft

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…und gleich um die Ecke bleibt der Müll liegen – wenn auch zumindest in Säcken.

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So, das war’s für diesmal. Nächstes Mal dann der Abschied von Russland und die Weiterreise nach Finnland und Schweden.

See you next time.