So langsam kehrte nach der ersten Nacht Routine ein. Die tägliche Routine musste sich aber erst langsam einspielen: Freizeit, Wache gehen und Mahlzeiten müssen unter einen Hut gebracht werden, was bei unserer kleinen Crew etwas komplizierter ist als bei den großen Crews von sechs bis acht Leuten, mit denen ich sonst meistens unterwegs bin.
Schon bald nach dem ersten Tag wurde der Wind immer weniger. Da aber für die Regatta jede Stunde, die wir unter Maschine laufen, mit 80% Zeitzuschlag gerechnet wird, lohnt es bei erst bei Geschwindigkeiten von unter 3 Knoten, den Jockel anzuwerfen – und auch das nur sparsam. Insgesamt hatten wir 190 Liter Diesel zur Verfügung, damit sollte man dann auch sparsam umgehen.
Ganz langsam wurde es von Tag zu Tag wärmer. Also kann man so einen Flautentag prima dazu benutzen, mal baden zu gehen. Das Wasser war hier schon um die 23/24 Grad warm, also beste Bedingungen. Ach ja: Unten drunter hatten wir da rund viereinhalbtausend Meter Wasser unter der Badehose.
Dank eines speziellen Salzwassershampoos konnten wir so auch Süßwasser aus unseren Tanks sparen und die Süßwasserdusche und das Haare waschen mit Süßwasser ersetzen. Das entlastete unsere Wasservorräte.
Hier kann man auch sehen, das es zwar wunderschönes Wetter war, aber dem Fortkommen war diese Flaute nicht sehr dienlich. Bei Etmalen von unter 100 Seemeilen grübelte der Skipper stundenlang über den Wetterkarten.
Ein Problem, das der Außenstehende vielleicht gar nicht als solches erkennt: Wo lässt man bei drei bis vier Wochen Reisedauer seinen Müll? Man kann das ja nicht einfach über Bord werfen – und die Müllabfuhr kommt auch selten vorbei…
Wir verstauten den größten Teil unseres Mülls im Vorschiff in der Ankerlast. Den Anker werden wir ja draußen auf dem Atlantik eher nicht brauchen.
Die außerdem dort normalerweise befindlichen Fender wurden am Heck angehängt – zwar nicht schön, aber da draußen sieht’s ja keiner.
Zwischendurch gab es natürlich immer wieder wunderschöne Momente. Schaut Euch nur mal diesen Atlantik-Sonnenuntergang an
Wenn die Sonne zu sehen war, nutzte ich 2-3 mal am Tage die Gelegenheit, um die Sonne zu schießen, und meine eingerostete Astronavigations-Technik wieder zu verbessern. Ich will’s gleich sagen: Ganz zufrieden war ich mit mir nicht, meine per GPS nachgeprüfte tatsächliche Position wich doch mehr Meilen ab, als eigentlich normal sein müsste .
Das ist zwar so weit draußen auf dem Meer kein Problem, befriedigt aber natürlich den eigenen Ehrgeiz nicht.
Zwischendurch hatten wir schon relativ früh mal einen sog. “Squall”, also einen heftigen Regenschauer, verbunden mit kurzfristig deutlich auffrischendem Wind. Wenn so etwas tagsüber passiert, kann man bei diesen Squalls teilweise interessante Regenbogen beobachten. Ich hab mal zwei Bilder ausgewählt, die einen typischen “Squall” und einen etwas ungewöhnlichen Regenbogen zeigen:
Nach der ersten Woche fingen dann langsam die Probleme an. Es begann damit, dass der für uns praktisch unerlässliche Generator seinen Geist aufgab. Er ist deshalb so wichtig, da das Boot nicht über einen Gasherd verfügte, sondern es wurde auf einem Elektroherd gekocht. Die 230 Volt dafür produzierte ein Transverter, der die 12 Volt der Batterie wieder hochspannte und in Wechselstrom umbaute. Dieser Strom dafür wurde mit dem Generator und einer relativ kleinen Solaranlage produziert. Also musste man mindestens einmal am Tag eine Weile diesen Jockel laufen lassen.
Die Fehlersuche war ziemlich mühsam, da das alles auf so einem kleinen Schiff ja nicht besonders gut zugänglich ist.
Ein paar Tage lang hat das Ding dann nochmal mit viel basteln funktioniert, bis wir es dann endgültig aufgeben mussten. In der letzten Woche war deshalb Strom bei uns erheblich rationiert. Alles was nicht für die Schiffsführung erforderlich war, wurde also abgeschaltet. Erst als praktisch nur noch das GPS und unser Autopilot liefen, war die Strombilanz wieder positiv. Zum Opfer fiel deshalb größtenteils auch unsere Funk-Kommunikation auf Kurzwelle, da dies Gerät allein beim Empfangen schon 3 Ampere verbrauchte und beim Senden über 20 Ampere. Genauso gab es ab dann weder warmes Essen noch warme Getränke.
Als ob das noch nicht genug wäre, gab dann auch noch unser Wassermacher seinen Geist auf, der maschinell aus Seewasser Trinkwasser macht. Auch da wurde wieder heftig gebastelt
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Wie man sieht, produziert diese Bastelei auf See immer erhebliche Unordnung, bis man an die entsprechenden Dinge herankommt. Danach muss man das möglichst sofort alles wieder aufräumen, da der Platz dann ja schon wieder für andere Dinge gebraucht wird.
So gaanz langsam kam dann auch endlich der Wind wieder, wenn auch noch lange nicht aus der gewünschten Passat-Richtung Nordost. Aber mit Großsegel und Code Zero als Vorsegel machten wir auch bei wenig Wind recht gute Fahrt voraus.
Übrigens hat das Schiff ein relativ ungewöhnliches Cockpit-Layout, das aber sehr praktisch ist. Wie man sieht, sind alle Winschen und Leinen mit Ausnahme der Fallen nach achtern geführt, sodass alles durch den Rudergänger bedienbar ist. Dazu verschwinden alle Leinen in sehr praktischen Fächern, sodass man immer ein aufgeräumtes Cockpit hat.
Endlich zu Beginn der dritten Woche kam dann endlich der verspätete Passat und wir hatten zunächst 15 – 20 Knoten wahren Wind von hinten. Unseren Gennaker konnten wir leider nicht einsetzen. Als es von der Windrichtung gepasst hätte, hat er sich eines Nachts derartig fies um sein Vorstag gewickelt, dass das mit Bordmitteln nicht zu entwirren war, weil die Wicklungen oben und unten jeweils entgegengesetzt waren. Das bekommt man nur komplett ausgerollt wieder hin und das geht nur an Land bei einem so großen Segel.
Also kam ab einem Windwinkel von ca. 150 Grad unsere Passatbesegelung zum Tragen, die wir ja schon in Las Palmas ausprobiert hatten: Die Fock wurde mit dem ausziehbaren Spinnakerbaum ausgebaumt und nach vorn und achtern zusätzlich mit Leinen zur Bug- und Mittelklampe gesichert.
Wenn dann der Wind noch weiter von hinten kommt, kann man halsen und das Großsegel auf der anderen Seite fahren. Im Normalfall stellt man dann den Autopiloten auf wahren Wind ein und der steuert das Schiff hervorragend und feinfühlig vor dem Wind. Natürlich muss man laufend das Wetter beobachten, denn wenn so ein Squall kommt, kann der Wind durchaus mal auf 40 Knoten aufbrisen – und nach fünf bis zehn Minuten ist dann alles wieder vorbei.
Inzwischen wurde es wärmer und wärmer,, je weiter wir nach Westen kamen. Die Tagestemperaturen erreichten um die 35 Grad und was Wasser erwärmte sich auch bis auf über 25 Grad. Badepausen waren bei dem Wind natürlich nicht mehr drin, aber das geht: Kurze Leine am Schiff festmachen, das andere Ende per Palstek um die Brust – und dann langsam die Badeleiter heruntersteigen. Bei sieben Knoten Geschwindigkeit ist das besser als die Massagedüsen in der Badewanne. Das Haare waschen wird dann danach mittels über den Kopf gegossenen Seewasser-Eimern erledigt.
Ach ja, und irgendwann war dann ja auch der 6. Dezember, also der Nikolaustag…
Und dann, drei Tage vor der Ankunft in St. Lucia passierte das größte Problem…
Wir segelten nachts bei um die 20 Knoten Wind von achtern mit der oben beschriebenen Passatbesegelung. Die Böen hatten so um die maximal 25 Knoten, was wir schon oft genug gehabt hatten. Da ich weit vorne so einen Squall sah, weckte ich meinen Crewkollegen, um ein Reff ins Großsegel zu binden. Während der noch im Dunkeln seine Taschenlampe suchte, die ihm heruntergefallen war (Ihr erinnert Euch: Aus Stromspargründen waren die Lampen ausgeschaltet) tat es einen heftigen Schlag, der irgendwo von vorn kam. Da es stockfinster war, leuchtete ich mit der Lampe nach vorn und stellte fest, dass ich das Vorsegel nicht mehr sah – und der Spibaum lag auf Deck auf der falschen Seite!
Das Boot gierte ziemlich hin und her, da ja plötzlich der Gegendruck des Vorsegels fehlte, und ehe ich überhaupt bis zum Ruder kam, hatte der Autopilot eine Patenthalse produziert. Der Baum schlug gottseidank sehr langsam über, weil er ja durch eine Baumbremse gedämpft wurde.
Meine Restcrew kam an Deck und wir versuchten, des Wirrwarrs Herr zu werden. Das Großsegel wurde heruntergenommen – und dabei mussten wir feststellen, dass der Großbaum genau auf der Höhe der Baumbremse gebrochen war. Während ich mit heftiger Arbeit und Maschinenunterstützung das Boot möglichst auf einem ruhigen Kurs hielt, kämpften die beiden anderen – natürlich vernünftig gesichert –auf dem Vorschiff. Inzwischen war eine halbe Stunde vergangen und er Squall, den ich gesehen hatte, war da und unterhielt uns einige Zeit mit heftigem Regen und reichlich Wind.
Das Vorsegel zu bergen, gelang uns aber erst sehr viel später am nächsten Tag. Bis dahin segelten wir mit der teilweise eingerollten Starkwindgenua, die deutliche Kampfspuren zeigte.
Was wirklich mit dem Großbaum geschehen war, konnten wir natürlich auch erst am nächsten Tag genau beobachten:
Im großen und ganzen muss ich sagen, ist die Crew mit dieser schwierigen Situation sehr gut fertig geworden. Es wurde – jeder an seiner Position – sehr gut und ruhig zusammengearbeitet. Keinerlei Hektik oder Panik kam bei den drei Beteiligten auf.
Am nächsten Tag haben wir dann in Ruhe die Reste der Genua geborgen. Dabei sahen wir dann auch den Auslöser des ganzen Schlamassels: Der Spinnakerbaum war kurz vor seiner Halterung gebrochen und damit haute das Vorsegel plötzlich auf die andere Seite ab.
Wir haben dann die normale Arbeitsfock gesetzt und sind unter dieser Besegelung, je nach Wind immer noch zwischen fünf und sechseinhalb Knoten gelaufen. Wie wir später erfahren haben, lagen wir bis dahin in unserer Gruppe an hervorragender Stelle. Nach gesegelter Zeit haben uns dann aber in den letzten zwei Tagen doch noch zwei Boote überholt.
Immerhin sind wir trotz alledem in unserer Klasse nach berechneter Zeit noch Dritte geworden!
Auf diesem Bild sieht man in der Steuerbordsaling schon die Gastlandflagge von St. Lucia und die Flagge “Q”, die man setzen muss, wenn man außerhalb des Schengengebiets ein fremdes Land ansteuert.
Der Moment des Landfalls war natürlich ein ganz besonderer nach drei Wochen.
Und das war natürlich auch genau der Moment, als wir die Flagge von St. Lucia setzten.
Langsam kam dann St. Lucia immer näher und vor uns war der Pigeon Point, der nur noch gerundet werden musste, um die Ziellinie anzusteuern.
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Danach dauerte es dann nur noch ein paar Minuten, bis wir an der Tonne, die die Ziellinie begrenzt, das Rennen offiziell beendeten.
Ziemlich genau 21 Tage und eine Stunde, nachdem wir vor Gran Canaria gestartet waren, hatten wir die 2.877 Seemeilen oder 5.328 Kilometer hinter uns.
Per Funk wurden wir vom Zielschiff begrüßt und unsere Zielankunftszeit wurde bestätigt.
Danach folgt dann die Einfahrt in den geschützten Hafen von Rodney Bay und die erste Begegnung mit der Karibik.
ja, und dann war da noch dieses Boot, dessen Foto natürlich einen besonderen Ehrenplatz in meiner Sammlung von ungewöhnlichen Schiffsnamen bekommt:
Dann gab es einen netten Empfang durch die Leute der ARC, von dem ich leider keine Fotos zur Verfügung habe. Wir wurden am Steg begrüßt von einer Ein-Mann-Steelband mit einem Begrüßungslied, bekamen nach dem Festmachen als allerstes einen anständigen Rum Punch in die Hand gedrückt und einen wunderschönen Früchtekorb se
rviert sowie last, but not least, eine Flasche karibischen Rums, die das nächste Morgengrauen nicht mehr erlebt hat.
In Anbetracht unseres Strom- und Wassermangels verwundert es sicher nicht, dass dann am ersten Tag ausgiebiges Duschen an Land sowie ein dickes, fettes Steak auf dem Programm standen.
Bevor ich nach Deutschland zurück flog, haben mein Crewkollege und ich noch eine Inselrundfahrt gemacht. Aber von der berichte ich beim nächsten Mal.
So stay tuned!
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