ARC Baltic Rally 2–Sankt Petersburg Special

Mannomann, ich häng mit meinem Blog sowas von hintendran, aber seit ich vom letzten Törn zurück bin, hatte ich hier zuhause so viel zu tun, dass ich einfach nicht zum Schreiben gekommen bin – und übermorgen geht es schon auf die nächste Reise. Doch dazu später mehr.

Heute möchte ich mich ausschließlich mit einer Sache beschäftigen, die mich in St. Petersburg besonders beeindruckt hat: Das Schloss Peterhof, außerhalb der Stadt.

Dieses riesige Palastanlage liegt ungefähr 30km von St. Pete entfernt. Der beste Weg dorthin ist aus dem Zentrum der Stadt mit einem der laufend verkehrenden Tragflächenboote. Diese donnernden Ungetüme ( die ich schon aus Griechenland kannte, denn dieselben russischen Boote verkehren zwischen Piräus und den Inseln) bringen einen in einer halben Stunde dorthin.

Boot

Gegründet wurde Peterhof von Zar Peter dem Großen. Der Anfang war eine Art Mini-Schloss, von dem aus er auf seinen Reisen den Bau der Festung Kronstadt überwachte. 1709 fing der Zar dann mit der Planung einer Palastanlage an, die auf der Höhe der besten und größten Schlösser Europas sein sollte. Als Planer und Handwerker (Zar und Zimmermann – man erinnere sich) nahm er selbst starken Einfluss auf den Bau. 1723 – es war noch nicht fertig – wurde das Schloss dann eröffnet. Der Zar wohnte dort im Sommer und im Winter dann – was Wunder – in Sankt Petersburg im Winterpalast.

Viel gehabt hat Majestät aber nicht von seinem Häuschen, da er schon 1725 starb.

Seine Nachfolger – komischerweise hauptsächlich die Frauen -  bauten dann bis ins 19. Jahrhundert den Palast weiter aus. Die größten Anbauten stammen von der Zarin Elisabeth und später von Katharina der Großen.

Im Inneren des Palasts war leider fotografieren verboten – man möchte natürlich die entsprechenden Bücher verkaufen, was ja verständlich ist. Also gibt’s nur Fotos vom draußen. Ich zeige die hier einfach zunächst mal kommentarlos.

 

Was man auf den Fotos nicht sieht: Es war mörderheiß! Einige Tage später, in Finnland, erzählte mir ein finnischer Segler, wir hätten die heißeste Woche seit 50 Jahren erwischt. Jedenfalls war es tagelang deutlich über 30 Grad. Man sieht (leider) deutlich, wie ich mich durch den Park geschwitzt habe.

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Insgesamt ist das Schloss wirklich beeindruckend. Die Parkanlage ist gewaltig, über 150 Brunnen und Wasserspiele funktionieren mit einem ausgeklügelten Rohrsystem – alles ohne Pumpen, nur mit natürlichem Gefälle! Der gesamte Park ähnelt einem typisch französischen Barock-Park.

Als Kontrast muss ich aber auch ein anderes Bild zeigen, denn das darf auf keinen Fall vergessen werden:

Peterhof - Nikolaj I. Chandogin

Dies Bild des russischen Fotografen Nikolaj I. Chandogin aus dem Jahr 1944 nach Ende der deutschen Belagerung zeigt, dass das gesamte Schloss sowie auch der Park völlig zerstört wurden.

Im Zweiten Weltkrieg wurde Peterhof von den deutschen Besatzern weitgehend geplündert und zerstört. Ende Juni1941 versuchten Museumsmitarbeiter, die meisten Kunstschätze zu evakuieren. Manche wurden nach Leningrad gebracht, andere gingen auf dem Transport verloren. Schloss Peterhof wurde ab dem 23. September 1941 besetzt. Als am Abend ein Geschoss einschlug, fing der Palast Feuer. Das Löschen des Brandes wurde den Zivilisten von Wehrmachtssoldaten unter Androhung der Todesstrafe verboten. Bei der Zerstörung handelte es sich um eine gewollte Aktion der Wehrmacht und nicht um ein Versehen. (Quelle: Wikipedia).

Die gesamte Blockade von Sankt Petersburg hatte keinen anderen Zweck als die russische Bevölkerung zu dezimieren und den Rest zu demoralisieren. Alle Angriffe, Bombardierungen usw. richteten sich bewusst und absichtlich gegen die Zivilbevölkerung. Grauenhafte Hungerszenen müssen sich abgespielt haben. Hunderttausende sind buchstäblich verhungert. Die Gesamtzahl der Opfer der Blockade ist immer noch umstritten. Nach dem Krieg meldete die sowjetische
Regierung 670.000 Todesfälle in der Zeit vom Beginn 1941 bis Januar 1944, wovon die meisten durch Unterernährung und Unterkühlung verursacht worden waren. Einige unabhängige Schätzungen gaben viel höhere Opferzahlen an, die von 700.000 bis 1.500.000 reichen. Die meisten Quellen gehen aber von einer Zahl von etwa
1.100.000 Toten aus. (Wikipedia)

Umso beeindruckender ist die Arbeit der russischen (oder besser sowjetischen) Restauratoren, die schon bald nach dem Krieg begonnen haben, das Schloss und den Park in altem Glanz erstrahlen zu lassen. Viele Kunstschätze konnten gerettet werden, weil sie vor den anrückenden Deutschen vergraben wurden, manches ist bis heute verschwunden. Kann man es den Russen angesichts dieser Tatsachen übel nehmen, dass sie sich auch in Deutschland an Beutekunst bereichert haben? Es gibt in der Geschichte dieses Krieges kein Schwarzweiß, sondern nur Grautöne aller Schattierungen – alle hatten sie hier Dreck am Stecken.

Heute ist Peterhof eine der größten touristischen Attraktionen Russlands. Über viereinhalb Millionen Besucher kommen im Jahr hierher.

Direkt vor dem Schlosspark holt die heutige russische Wirklichkeit uns aber sofort wieder ein. Hier picknicken russische Familien oder Pärchen

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Es gibt die typische Ostseelandschaft

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…und gleich um die Ecke bleibt der Müll liegen – wenn auch zumindest in Säcken.

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So, das war’s für diesmal. Nächstes Mal dann der Abschied von Russland und die Weiterreise nach Finnland und Schweden.

See you next time.